Wald

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Samstag, 13. September 2014

Der Zwiebelmensch

Bedauerlicherweise gibt es immer Menschen, die mich nach Feierabend auf dem Weg hinunter in die U-Bahn-Gänge glauben, behindern zu müssen. Sie rennen einem kopflos vor die Füße oder bummeln breit und gemütlich vor einem herum, während Andere dummschwatzend in kleinen Grüppchen den restlichen Raum versperren, so dass man die Lahmen nicht einmal überholen kann. Ja, Menschen hat Hamburg genug, daran soll es nicht scheitern. Die schaffen es schon, sich alle gegenseitig im Weg zu sein. So etwas nennt man ausgleichende Gerechtigkeit. Oder so.
Ich schaffe es, mich an einer Gruppe um einen feisten blonden in einer zu eng sitzenden schwarzen Jeans vorbeizuschlängeln. Gesprächsfetzen schwappen ungefragt zu mir hinüber. Jemand sagt dem runden Blonden, er sähe ja aus wie eine Frühlingszwiebeln, während er ihm freundschaftlich lachend die Hand auf den Rücken legt.
Irritiert passiere ich eine weitere Menschenbarrikade aus Jugendlichen, hinter der eine weitere wartet, die ich weitestgehend ignoriere. Allerdings befindet sich ein kläffender kleiner Wadenbeißer (Hund!) zwischen ihnen, dessen markerschütterndes Gebell ungebremst aus ihm heraus platzt. Es ist ein stumpfes, hirnloses Bellen, das höre ich gleich. Vermutlich ist man sauer, dass Frauchen einen aus der Handtasche genommen hat.
Frühlingszwiebel, überlege ich... Zwiebel hätte ich aufgrund der Physiognomie noch nachvollziehen können. Dicker, runder Bauch in hautenger Jacke... Aber Frühlingszwiebel? Nun ja. Ich beschließe, dass der gute Bekannte sicherlich die luftige Kleidung des Dicken gemeint haben wird. Immerhin ist es quasi fast Frühling. Vielleicht hatte der Dicke auch Mundgeruch, was weiß denn ich?
Nachdem mich zwei die Rolltreppe emporschwebende Herrschaften beinahe umgerannt haben, eile ich zügigen Schritts die Betontreppe hinunter. Das Gekläffe des Köters ist noch lange zu hören, zerreißt das ganze Menschengeschnatter um mich herum auf unangenehmste Weise und ich denke: "Das ist also die Stadt, in der so viele Menschen gerne leben wollen." Ja, denn Hamburg ist so eine tolle Stadt! So eine schöne Stadt! So modern und am Puls der Zeit!
Bestimmt! Ich glaube es euch ungesehen. Wahrnehmung liegt schließlich im Auge des Betrachters und so weiter. Hamburg ist allerdings vor allen Dingen laut und voller Menschen. Vielen, vielen Menschen. Mich stört so etwas und es stört mich ebenfalls, dass es diese vielen, vielen Menschen kein bisschen zu stören scheint. Was ist los mit denen? Abgestumpftes Großstadtmaterial? Erklärt's mir! Und: nein, mich stört es ÜBERHAUPT nicht, wenn ich nachts um halb 11 nicht 50 Meter weiter meinen gesamten Wochenendeinkauf erledigen kann. Oder vielleicht ganze zweimal hinfallen muss, um beim Kino zu sein.

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