Wald

Wald

Dienstag, 11. März 2014

Die verzweifelte Kunst der Untalentierten

In größeren Städten ist Bus- und Bahnfahren weitestgehend unvermeidbar. Schneller, stressfreier, praktischer. Keine Parkplatzsuche, keine roten Ampeln. Außerdem läuft man nicht Gefahr, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, weil die Versuchung, einen ignoranten Fußgänger, der ohne zu gucken meint gemächlich die Straße überqueren zu müssen, einfach mal über den Haufen zu fahren, nicht gegeben ist. Auch wenn der überrascht-fassungslose Gesichtsausdruck desjenigen sicherlich die Scherereien wert wäre...
In der S-Bahn geht das nicht. Auf der Bahnstrecke Dammtor bis in etwa zum Stadtrand auch nicht. Und die Lokführer scheinen zudem eher wenig erpicht darauf Gas zu geben, sollte sich mal ein ignoranter Fußgänger auf ihre Fahrbahn verirren. So etwas passiert nur sehr selten, aber nachdem, was man so hört, passiert es hin und wieder eben doch mal. Das Bild, was sich einem bei einer Fahrt bietet, ist allerdings ähnlich unschön. Ja, ich bin jetzt mal spießig: Graffiti. Auch Schmierereien genannt. Überall. Auf den Wänden von Über-/ Unterführungen (na ja, sieht scheiße aus, aber was soll's), auf Bahnwaggons (das hat die Drecks-Bahn ja auch nicht anders verdient! Viel zu teuer und wenn's drauf ankommt auch noch unpünktlich), auf Verteilerkästen (nur weiß sind die Teile ja auch langweilig...), auf verlassenen Gebäuden nahe der Bahnstrecke (macht die Häuser auch nicht hübscher), auf bewohnten Häusern nahe der Bahnstrecke (da will man echt nicht wohnen), auf Altbau-Häusern nahe der Bahnstrecke (Alter... geht's noch?!). Es verunstaltet und ist hässlich. Punkt. Wo auch immer, ob "schlimm" oder nicht. Es ist höchstgradig asozial, von pubertär mal ganz zu schweigen.
Doch versuche man einmal, sich die Personen dahinter, hinter einem idiotisch dahingeschmieren "tyi"- oder "hse"-tag vorzustellen... Erster Gedanke: bestimmt ein Arschloch, das das auch noch lustig findet. Zweiter Gedanke: vermutlich mit einem Minderwertigkeitskomplex, aufgrund seiner Talentlosigkeit. Wenn es (es, das Arschloch, neutrum singular, logisch) sich seines Talents sicher wäre, würde es entweder ein Blatt Papier oder eine Leinwand vollschmieren oder zumindest ein professionell-anmutendes Graffiti fabrizieren. Aber es hat kein Talent und ist auch nicht kreativ. Es wird sich einmal einen tag ausgedacht haben und hat es dann auf jede Fläche gesprüht, die dem Intelligenzbolzen vor die flache Stirn gestolpert kam.
Manche Leute regen sich über Graffiti auf, wieder andere regen sich über die Leute auf, die sich über Graffiti aufregen. Es sei nämlich doch Kunst und würde hässliche Flächen verschönern, es ginge um Farbgestaltung und Kreativität. Neue Flächen und Gebäude seien gar tabu.
Vielleicht gibt es sogar zwei, drei dieser ehrenwerten Sprayer im wirklichen Leben, trotzdem ist Fakt: sobald irgendwo eine Wand frisch getüncht wurde, dauert es nur wenige Tage (wenn überhaupt), bis wieder irgendjemand sein "kpm" drangekritzelt hat. Vermutlich hat dieser Jemand an dem Kurs "Wie ich eine nicht sehr schöne Stadt endgültig hässlich mache" teilgenommen. Danke für deinen Beitrag.

Freitag, 7. März 2014

Peinliches Schweigen

Wer kennt es nicht? (Übrigens soll es sich nicht einbürgern, jeden Post mit einer rhetorischen Frage einzuleiten). Peinliches Schweigen. Unangenehm, vermeidenswert, ein Zeichen dafür, dass etwas nicht ganz rund läuft, peinlich eben. Allerdings nicht zu verwechseln mit betretenem Schweigen. Peinliches Schweigen ist für diverse Leute derart schwer zu ertragen, dass sie sich gezwungen sehen, es mit einer scheinbar überflüssigen Handlung zu verdrängen: dem Smalltalk.
Als Jugendliche war mir so gut wie alles peinlich. Zudem war ich des Smalltalks nicht mächtig und hielt ihn darüber hinaus für absolut überflüssig. Abgedroschene Floskeln in amerikanischen Filmen. How are you? als Standardbegrüßung ohne einen Funken Interesse dahinter. I love you als Standardverabschiedung unter Paaren ohne die geringste Emotion in der Stimme. Grausam, furchtbar. Das finde ich im Übrigen immer noch.
Jedoch erlernte ich immerhin mit der Zeit das smalle Talken. So wird die peinliche Stille seltener, man macht einfach den Mund auf und guckt, was herausfällt. Sagt, was einem gerade durch den Kopf geht. Es muss nicht überdurchschnittlich intelligent oder originell sein, aber möglichst auch nicht unterdurchschnittlich dumm oder allzu zusammenhanglos. Die anderen machen es genauso und es funktioniert. Macht man es ähnlich, läuft der Smalltalk wie geschmiert. Seicht, manchmal lustig, meist belanglos und irrelevant. Irgendwann bemerkt man eventuell einen Nebeneffekt: Langeweile, Gleichgültigkeit. Das alles interessiert überhaupt nicht. Hat es natürlich noch nie, aber alles ist ja potenzierbar. Langweilige Langeweile. Gähn.
Warum es also nicht einen schönen Tages einfach mal sein lassen? Vielleicht wird man überraschend feststellen, dass die Peinlichkeit für einen selbst kaum mehr spürbar ist, amüsanterweise so manch anderer aber immer noch tierisch darunter leidet und verzweifelt über das Wetter zu plappern beginnt. Hat es gestern nicht stark geregnet, wie stark es im Augenblick gerade regnet, ob es morgen wohl immer noch so stark regnet? Man zuckt gleichgültig mit den Schultern. Soll man jetzt das Wetter für die nächsten Tage googlen? Selbst wenn man es absurderweise täte: es wäre egal. Es interessiert das Gegenüber nämlich nicht. Fakten sind egal, hier geht es schließlich ums sinnlose Plappern, damit die böse Stille nicht wiederkehrt.
Meiner Meinung nach können wir uns viel von Katzen abgucken. Einfach mal irgendwo hinhocken und unbeteiligt die Augen schließen. Oder irgendwo postieren und jemanden wortlos, ohne zu Blinzeln anstarren. Ich wette, eine Katzengesellschaft täte sich schwer daran, den Begriff "peinliches Schweigen" nachzuvollziehen. Katzenphilosophen würden womöglich ein rein theoretisches, abstraktes Konstrukt dieser Vorstellung entwerfen können... Katzenpartys, auf denen nur geschnurrt, geschnuppert, gleichgültig geschaut und gefressen wird. Eine schöne Vorstellung. Vielleicht wird die Menschheit irgendwann auch einmal so weit sein.

Ein Versuch des Geldkreislaufs

Ein irritierender Titel? Nun ja sei's drum, ich wollte unbedingt einen Genitiv einbauen.
Heute nutze ich, wie so oft, meine Mittagspause und eile in die nahegelegene Einkaufspassage, um mir für wenig Geld ein bisschen Essen zu kaufen, was folgerichtig auch wenig-lange satt macht. Auf dem Weg zur Drehtür wackelt eine, bereits im Augenwinkel aufdringlich anmutende, ältere Frau auf mich zu. Braune Klamotten, irgendwie lumpig, das Gesicht wettergegerbt,verbissen und... wie heißt das Wort? Abgestumpft? Jedenfalls: auf mich zu. Oh nein, geh weg, lass' mich in Ruhe. Und warum überhaupt ich? Hier laufen hunderte Leute rum! Sehe ich etwa aus, als hätte ich Geld?
Sie brabbelt im Näherkommen etwas vor sich hin und hält mir die Hand entgegen. Aus den Wortbruchstücken höre ich nur irgendwas mit "Mama" heraus. Bitte? Nein, ernsthaft. Natürlich bist du arm dran, wir sind alle arm dran. Allerdings bin ich mit meinem eigenen Arm-dran-sein vollends ausgelastet. Ich will mir keine Gedanken über solche Leute machen und ich tu' es eigentlich auch nicht. Bis auf den immer wiederkehrenden gedanklichen Wunsch, mit ihnen nichts zu tun haben zu wollen.
Oje, jetzt schreien sie wieder auf, die politisch Korrekten. Diese Leute seien doch auch Menschen. Mit eigener Geschichte, womöglich einer Familie, Wünschen und Träumen. Diese Leute in eine Schublade zu stecken, pfui, ein no-go. Gebraucht man dann noch Begriffe wie "Bettel-Banden", "Bettel-Mafia" oder, und dieses Wort darf man wegen der political correctness ja eigentlich nicht einmal denken "rumänische Bettel-Mafia"..., dann wird es brisant, wenn nicht zu sagen grenzwertig. Für die, die moderaten, politisch Korrekten. Für mich nicht. Mir ist es egal, wo derjenige herkommt, der mich anbettelt. Ich will nicht angebettelt werden. Punkt. Meiner Meinung ist diese Art von Gleichgültigkeit auch das Gegenteil von Rassismus. Egoismus, Misanthropie? Auf jeden Fall. Aber Rassismus? Wenn jeder auf der Welt sein Gegenüber aufgrund seines Handelns und nicht seiner Herkunft oder seines Glaubens behandeln würde, sähe es auf dieser Welt sicherlich anders aus. Besser.
Ich gehe also, ohne eine Miene zu verziehen, weiter. Natürlich hat es nichts mit der Frau persönlich zu tun. Ich bin in diesem Punkt sehr untendenziös: ich will von niemandem angesprochen werden. Egal von wem nicht. Wenn ich hungrig zum Essenholen hetze, will ich weder etwas von meinem ohnehin wenigen Geld abgeben, noch Tulpen kaufen, weil gerade zufällig Valentinstag oder Rosenmontag oder sonst etwas ist. Ich möchte auch bei keiner Radio-Umfrage mitmachen oder meine Daten bei einer Unterschriftenaktion für irgendetwas hergeben. Danke.
Ohnehin gewinne ich oft den Eindruck, dass gerade Leute ohne Geld gezielt von denjenigen mit noch weniger Geld um eben jenes gebeten werden. Und dies nicht immer freundlich. Vor Billig-Penny um die Ecke, wo Alkis sich für Pfandgeld Billig-Schnaps kaufen oder man mal ausnahmsweise hingeht, um sich mit schlechtem Gewissen für 55 Cent einen Billig-Liter-Milch zu kaufen, weil auf dem Konto gerade noch genug Geld für die bald anstehende Miete ist. Und warum werden solche Leute angebettelt? Weil die Reichen reich sind und kaltschnäuzig und sowieso nichts geben? Vermutlich. Vermutlich sind sie genau deshalb auch reich. Doch deswegen sind die Armen trotzdem nicht weniger geizig.
Ein Fazit oder gar eine Lösung habe ich leider nicht parat.