Wald

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Freitag, 7. März 2014

Peinliches Schweigen

Wer kennt es nicht? (Übrigens soll es sich nicht einbürgern, jeden Post mit einer rhetorischen Frage einzuleiten). Peinliches Schweigen. Unangenehm, vermeidenswert, ein Zeichen dafür, dass etwas nicht ganz rund läuft, peinlich eben. Allerdings nicht zu verwechseln mit betretenem Schweigen. Peinliches Schweigen ist für diverse Leute derart schwer zu ertragen, dass sie sich gezwungen sehen, es mit einer scheinbar überflüssigen Handlung zu verdrängen: dem Smalltalk.
Als Jugendliche war mir so gut wie alles peinlich. Zudem war ich des Smalltalks nicht mächtig und hielt ihn darüber hinaus für absolut überflüssig. Abgedroschene Floskeln in amerikanischen Filmen. How are you? als Standardbegrüßung ohne einen Funken Interesse dahinter. I love you als Standardverabschiedung unter Paaren ohne die geringste Emotion in der Stimme. Grausam, furchtbar. Das finde ich im Übrigen immer noch.
Jedoch erlernte ich immerhin mit der Zeit das smalle Talken. So wird die peinliche Stille seltener, man macht einfach den Mund auf und guckt, was herausfällt. Sagt, was einem gerade durch den Kopf geht. Es muss nicht überdurchschnittlich intelligent oder originell sein, aber möglichst auch nicht unterdurchschnittlich dumm oder allzu zusammenhanglos. Die anderen machen es genauso und es funktioniert. Macht man es ähnlich, läuft der Smalltalk wie geschmiert. Seicht, manchmal lustig, meist belanglos und irrelevant. Irgendwann bemerkt man eventuell einen Nebeneffekt: Langeweile, Gleichgültigkeit. Das alles interessiert überhaupt nicht. Hat es natürlich noch nie, aber alles ist ja potenzierbar. Langweilige Langeweile. Gähn.
Warum es also nicht einen schönen Tages einfach mal sein lassen? Vielleicht wird man überraschend feststellen, dass die Peinlichkeit für einen selbst kaum mehr spürbar ist, amüsanterweise so manch anderer aber immer noch tierisch darunter leidet und verzweifelt über das Wetter zu plappern beginnt. Hat es gestern nicht stark geregnet, wie stark es im Augenblick gerade regnet, ob es morgen wohl immer noch so stark regnet? Man zuckt gleichgültig mit den Schultern. Soll man jetzt das Wetter für die nächsten Tage googlen? Selbst wenn man es absurderweise täte: es wäre egal. Es interessiert das Gegenüber nämlich nicht. Fakten sind egal, hier geht es schließlich ums sinnlose Plappern, damit die böse Stille nicht wiederkehrt.
Meiner Meinung nach können wir uns viel von Katzen abgucken. Einfach mal irgendwo hinhocken und unbeteiligt die Augen schließen. Oder irgendwo postieren und jemanden wortlos, ohne zu Blinzeln anstarren. Ich wette, eine Katzengesellschaft täte sich schwer daran, den Begriff "peinliches Schweigen" nachzuvollziehen. Katzenphilosophen würden womöglich ein rein theoretisches, abstraktes Konstrukt dieser Vorstellung entwerfen können... Katzenpartys, auf denen nur geschnurrt, geschnuppert, gleichgültig geschaut und gefressen wird. Eine schöne Vorstellung. Vielleicht wird die Menschheit irgendwann auch einmal so weit sein.

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