Wald

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Freitag, 2. Oktober 2020

Beleidigung fehlgeschlagen

Wer hin und wieder auf Plattformen wie YouTube unterwegs ist, merkt schnell: Sobald man die eigene Abonnement-Bubble verlässt und sich etwas Mainstreamigeres (oder was aus den von vielen YouTubern verhassten "Trends") anschaut, begibt man sich auf toxisches Gebiet. Gutes Beispiel hierfür sind alte "Schlag den Raab"-Folgen, die vom dazugehörigen Channel in miserabler Qualität aber "immerhin" online gestellt werden. Die meisten Kommentare darunter sind unteriridisch, nett gesagt. Man liest von Leuten, die man im normalen Leben nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würde. Falls man es denn überhaupt lesen kann, denn häufig wird aus dem Lesen eher ein Vermuten, da der Unterirdische-Kommentare-Verfasser wenn überhaupt nur über rudimentäre Kenntnisse der Orthografie oder Interpunktion verfügt. Wie auch immer...
In den letzten Tagen lieferte ich mir eine kleine kommentarische Diskussion unter dem Video einer NDR-Talkshow, in der ein von mir sehr geschätzter Prominenter zu Gast gewesen war. Ein Mensch, dessen Tun ich nun schon seit nunmehr vier Jahren regelmäßig verfolge, überwiegend anhand seines Podcasts, aber auch durch Instagram-Posts und das ein oder andere YouTube-Video. Besagte Diskussion verlief sogar für YT-Verhältnisse einigermaßen okay ab. Man brachte Argumente in verständlichem Deutsch an, es ging hin und her. Nachdem ich mein virtuelles Gegenüber dazu aufgefordert hatte, mir zu verraten, wo oben genannter Prominenter sich dann bitte für den Linksextremismus ausgesprochen hätte, kam erst einmal nichts mehr.
Aber dann, heute Morgen, eine Benachrichtigung auf meinem Telefon: Der unbekannte Kommentierer hatte meinen letzten Kommentar kommentiert (K-Alliteration beabsichtigt!). Und ich las sogar eine Vorschau des Kommentars auf meinem Smartphone:
"Lutsch seinen Schwanz!"
Wow! Neugierig klickte ich darauf, nur um festzustellen, dass der Kommentar auf der Plattform offenbar schon wieder gelöscht worden war. Ein bisschen enttäuschend, aber die Diskussion hatte ich augenscheinlich gewonnen, was mich zu gleichen Teilen amüsierte und erfreute.
Über den gelöschten Kommentar selbst sinnierte ich jedoch noch eine Weile. Er war wohl irgendwie beleidigend gemeint gewesen (und ist ohne Frage sexistisch, unsachlich und hatte rein gar nichts mit dem eigentlichen Thema der Diskussion zu tun), aber die Beleidigung kam bei mir trotzdem nicht an. Immerhin stand von Anfang an fest, dass ich Denjenigen sehr schätzte, quasi "Fan" bin (auch wenn ich das Wort nicht mag). So what? Jemanden seinen Schwanz zu lutschen, ist, natürlich immer unter Voraussetzung der Freiwilligkeit, eine sehr nette Geste. Und es ist kein Gedanke, der mich mit Unwohlsein erfüllt. Vermutlich hätte mich ein wütendes "Entfolge ihm doch bei Insta!" mehr getroffen.

Donnerstag, 16. Januar 2020

Attraktivität im Tur-Tur-Prinzip

In Michael Endes Buch "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" gibt es eine Figur namens Herr Tur Tur. Er ist ein Scheinriese, was bedeutet, er wirkt aus der Entfernung riesig, wird aber immer kleiner, je näher man ihm kommt; bis er schließlich, direkt vor einem stehend, die Größe eines ganz normalen Menschen hat.

Bei mir in der Nachbarschaft arbeitet ein Mann, mit dem es sich, in Bezug auf die Attraktivität, recht ähnlich verhält. Ich sehe ihn häufiger mal auf dem Fahrrad oder, da er im Erdgeschoss seiner Firma arbeitet und diese sich auf meinem täglichen Weg befindet, auch des Öfteren durchs Fenster. Er ist wirklich ziemlich attraktiv. Und da ich bei Männern sehr (seeeeehr) wählerisch bin, will das schon etwas heißen. Er hat dunkle kurze Haare und dunkle Augen. Ich mag die Form seines Hinterkopfes, seiner Kieferknochen, und wie sein Gesicht geschnitten ist. Seit er von glattrasiert auf einen Dreitagebart umgestiegen ist, ist er auf der Hotness-Skala gleich noch mal drei bis vier Punkte nach oben geklettert. Er wirkt sportlich, hat eine sehr sympathisch-selbstbewusste Ausstrahlung und ein äußerst nettes Lächeln. Wie gesagt, ich finde ihn ziemlich attraktiv - aus der Ferne.

Bedauerlicherweise bin ich ihm jedoch auch einige Male aus nächster Nähe über den Weg gelaufen - und plötzlich ist es vorbei mit der Attraktivität. Sein Becken wirkt mit einem Mal seltsam breit, sein Gang irgendwie watschelnd. Zudem schielt er mit einem Auge ziemlich, woran man sich sicherlich gewöhnen könnte, hätte man näher mit ihm zu tun, was mich als "Außenstehende" aber einfach nur höchstgradig irritiert. No offense und so, aber attraktiv ist in meinen Augen (Achtung, Wortspiel) anders. Hinzu kommt, dass er eine ziemlich hohe Stimme hat. Eine Sache, auf die ich bei Männern eigentlich überhaupt nicht achte. Bei ihm ist es allerdings prompt der totale Abtörner.

Und aufgrund dieser Scheinattraktivität und der immer noch bestehenden Tatsache, dass ich mir gerne gutaussehende Männer angucke, habe ich beschlossen, dieses besondere Exemplar auch weiterhin nur aus der Ferne zu betrachten. Ein bisschen schade, aber was soll man machen?